Rezension zu »Play Boy«

Wie ich auf das Buch aufmerksam wurde:

Die französische Ausgabe von »Play Boy« habe ich im letzten Semester mit großer Begeisterung in einem literaturwissenschaftlichen Seminar an der Uni gelesen. Im Rahmen des Seminars hielt ich einen Vortrag über die Autorin und fand nicht nur heraus, dass Constance Debré eine faszinierende Persönlichkeit ist, sondern auch, dass zu dem Zeitpunkt nur Band zwei und drei ihrer Trilogie auf Deutsch übersetzt wurden. Aus welchem Grund auch immer. Daher war ich super hyped, als ich vor ein paar Wochen sah, dass es nun auch endlich Band eins auf Deutsch gibt und ihr die Reihe auch entdecken könnt. Immer, wenn ich Freund:innen von dem Buch erzählt hatte, hieß es nämlich: „Das klingt ja richtig cool, aber auf Französisch lesen? NIEMALS!“. Danke an den Matthes & Seitz Verlag für die Übersetzung und das Rezensionsexemplar! 📖🏳️‍🌈😍

Handlungsüberblick:

Eine Pariserin lässt ihre jahrzehntelange Ehe mit dem Vater ihres Sohnes, ihr gehobenes soziales Milieu und ihre Karriere als Strafverteidigerin hinter sich. Währenddessen analysiert sie mit verändertem Blick ihre Vergangenheit und wendet sich gegen heteronormative Standards, indem sie ihren Körper und ihre Sexualität neu entdeckt.

Mein Bucheindruck:

Das Hardcover hat keinen Schutzumschlag, was ich großartig finde! Die Dinger fliegen bei mir nämlich immer durch die Gegend und werden nie wieder gesehen. 🙈😃

Der Einband und das Papier der Seiten fühlen sich sehr wertig an. Zwar weicht das Foto auf dem Cover von dem der französischen Ausgabe ab, aber es handelt sich bei beiden Fotos um Portraits der Autorin, auf denen auch ihr Armtattoo zu sehen, und da die Protagonistin aus »Play Boy« ebenfalls ein Armtattoo hat, welches im Buch beschrieben wird, verstärken die Fotos den Eindruck, dass es sich bei der Protagonistin um die Autorin handeln könnte. Dass dieser Effekt bei der Gestaltung des Covers der deutschen Ausgabe beibehalten wurde, finde ich super! 📸😍

Mein Leseeindruck:

Durch die kurzen Kapitel mit episodischem Charakter, die oft sogar nur eine Seite umfassen, ist das Buch sehr kurzweilig. Ich hatte es, wie auch schon die französische Ausgabe, innerhalb von wenigen Stunden ausgelesen.

Während der einzelnen Episoden wissen die Leser:innen oft nicht so genau, wann und wo etwas passiert. Es gibt kaum Ortsbeschreibungen, wenn überhaupt Ortsnennungen, durch welche die Orte wenig wichtig und austauschbar wirken. Die Geschehnisse könnten sich gefühlt überall zutragen.

Bei der Lektüre begleitete mich das kribbelige Gefühl, etwas Verbotenes und noch nie Dagewesenes zu lesen. Ich fand es spannend, die Protagonistin auf ihrer Selbstfindungsreise zu begleiten und konnte mich in vielen ihrer Gedanken und Erfahrungen wiederfinden. Ich fand es toll, dass mal jemand die doch manchmal recht unbequemen Gedanken aussprach. Durch »Play Boy« habe ich mich gesehen und viel weniger allein mit ihnen gefühlt! 

Darüberhinaus lud mich die Selbstfindungsreise der Protagonistin dazu ein, über mich selbst, meinen eigenen Körper, mein Gender und meine Sexualität zu reflektieren. In dieser Hinsicht behandelt »Play Boy« wichtige Themen, wie zum Beispiel das Geschlecht in der heteronormativen Gesellschaft in Verbindung mit der Frage, was es heißt, Mutter zu sein. Die Protagonistin entspricht dem „nomadic way of gender and motherhood“ und der Unterschied zwischen „being a mother“ (Soziale Rolle) und „being someone‘s mother“ (Beziehung) wird durch sie sehr deutlich.

Mein Eindruck vom Schreibstil:

»Play Boy« gliedert sich in drei Teile und weist in allen davon eine extradiegetische-autodiegetische Erzählinstanz mit interner Fokalisierung auf, bei der es auch zu einigen Rückblicken kommt. Es gibt kaum direkte Rede, viele Raffungen und Summaries, wodurch das Erzählte episodisch wirkt. Die Sprache ist umgangssprachlich, direkt und ungeschönt mit kurzen Sätzen und Elipsen. In der literaturwissenschaftlichen Forschung wird sie auch mit der Sprache bei Gericht verglichen. [Angelo, Adrienne: Living as writing as living: queer praxis in Constance Debré’s autofictions. 2024. S.3]

Gelungenheit der Übersetzung:

In der französischen Ausgabe waren nicht alle Seiten nummeriert, Kommata und Anführungsstriche wurden bewusst weggelassen. Auch, wenn das natürlich sehr den Stil von Constance Debré ausmacht, habe ich nicht akribisch geprüft, ob das in der deutschen Ausgabe der Fall ist. Die verkürzten rauen Sätze wirken auf Deutsch etwas weniger krass als auf Französisch und an einer in meinen Augen wichtigen Stelle hätte ich mir eine andere Übersetzung gewünscht, dennoch finde ich, dass in der Übersetzung der Vibe des Romans gut herüberkommt. Mir hat es großen Spaß gemacht, die Geschichte auf Deutsch wiederzuentdecken. 

Mein Abschlussfazit:

»Play Boy« ist ein Muss für alle Queerleser:innen, und meine Freude über die deutsche Übersetzung könnte nicht größer sein! Jetzt gibt es keine Ausrede mehr, »Play Boy« nicht zu lesen! 📖🏳️‍🌈😍


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